A. Einleitung Der Fitnessvertrag ist ein knuffiger, leicht überschaubarer Rechtsbereich. Kein Wunder, dass er Heimat für zahlreiche Klausuren und Vorträge ist. Dabei ist die Chance ziemlich groß, dass ein falscher Rechtsansatz gewählt wird. Grund genug, dass Sie sich die folgende Struktur einmal anschauen.
B. Grundsätze
I. Welches Recht ist maßgeblich? Grundsätzlich kommt die Anwendung des folgenden Rechts in Betracht:
Die Anwendung des Rechts entscheidet sich nach der Art der Leistungen, zu denen der Veranstalter verpflichtet ist. Handelt es sich um Fälle reiner Gebrauchsgewährung, dann gilt das Mietrecht ( vgl. BGH NJW 97,194). Davon ist besonders dann auszugehen, wenn der Veranstalter nur die Überlassung der Trainingsräume und der Trainingsgeräte schuldet (Sportstudio), soweit die Trainerleistungen, zu denen der Veranstalter verpflichtet ist, hinter dem Gerätegebrauch in den Hintergrund treten. Das ist z.B. der Fall, wenn der Trainer nur beaufsichtigend tätig wird und reihum geht. Anders soll der Fall bereits dann liegen, wenn der Kunde in der richtigen Benutzung der Geräte beraten und beim Training überwacht wird (Dienstvertrag, vgl. OLG Hamm NJW-RR 92,242; NJW-RR 92,243). Reine Trainingsangebote unterliegen sicherlich dem Dienstvertragsrecht (Tanzstudio, Boxbude, Schlankheitskurse, sonstiges Training der Kampfsportarten usw.).
Häufig wird man bei der Beurteilung des Rechtsverhältnisses auch zu dem Ergebnis kommen können, dass ein gemischter Vertrag mit dienst- und mietvertraglichen Elementen vorliegt, wobei dann der Schwerpunkt des Elementes zu erforschen ist. Beim Training an Sportgeräten wird für die Vergütungspflicht und für das Kündigungsrecht meistens Mietrecht anzuwenden sein (LG Mönchengladbach, U. v. 13.5.05 - S 234/03 -).
Zu I.3.:
Soweit der Fitnessvertrag eindeutig einem bestimmten Vertragstypus (Dienst- oder Mietvertrag) zuzuordnen ist, können die Parteien nicht vereinbaren, dass dieser Vertrag als Vertragstyp aus einem anderen Rechtsgebiet anzusehen ist (Gilles, Heinbuch, Gounalakis, Unterrichtsrecht, Rn. 243). Die Parteien können also nicht vereinbaren, dass ein Vertrag, der eindeutig dem Mietrecht zuzuordnen ist, ein Dienstvertrag ist. Sie können aber eine Regelung treffen, wonach die Regeln eines anderen Vertragstypus anwendbar sind. So geschehen in der von Fischer besprochenen Klausur JuS 05,732, in der die Parteien für die vorzeitige Kündigung § 626 BGB angewandt haben, obwohl es sich um einen Mietvertrag gehandelt haben dürfte.
II. Einzelne Probleme
II.1: Vorzeitige Kündigung
(1) In erster Linie gilt das, was die Parteien vereinbart haben, siehe I.3. Haben sie die Anwendung des § 626 BGB oder des § 314 BGB vereinbart, dann ist das Recht des Kunden, sich aus wichtigem Grund vom Vertrag lösen zu dürfen, angemessen berücksichtigt. Ist das Recht des Kunden zur vorzeitigen Beendigung des Vertrages aus wichtigem Grund durch den Vertrag ausgeschlossen, sollte man nicht vorschnell in die Prüfung der Angemessenheit der Ausschlussklausel nach §§ 305, 307 II 1 BGB eintreten. Denn handelt es sich um einen Dienstvertrag, kann § 626 BGB gar nicht ausgeschlossen werden (kein dispositives Recht). Für seinen Bereich ist auch § 314 BGB bindendes Recht. Gleiches gilt, wenn die Parteien bestimmte Kündigungsgründe (z.B. Krankheit) im Vertrag ausgeschlossen haben. Soweit der Kündigungsgrund ein wichtiger Grund nach § 626 BGB oder nach § 314 BGB ist, kann kein Ausschluss erfolgen.
(2) Fehlt eine Vereinbarung, dann gilt Folgendes:
>>>> Ist der Fitnessvertrag ein echter Trainingsvertrag, dann gilt Dienstvertragsrecht. Es sind die Kündigungsgründe nach § 626 I BGB zu prüfen. Wichtig: Die Kündigungsfrist nach § 626 II BGB spielt eine bedeutende Rolle (Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis vom Kündigungsgrund). Bei Krankheiten und Unfällen arbeitet die Rspr. mit einem „Trick“: Die Frist beginnt erst mit dem Ende der Krankheit oder der Heilung von der Verletzung zu laufen. Deshalb kann bei schwerwiegender Krankheit (Herzerkrankung, Bandscheibenvorfall) während des gesamten Verlaufs der Erkrankung noch gekündigt werden. Anders, wenn der Kunde bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkrankt war. Wer seine Erkrankung kennt und dennoch einen Vertrag schließt, erwirbst keinen Kündigungsgrund.
>>>> Ist der Fitnessvertrag ein Mietvertrag, wie das regelmäßig bei dem Training im Sportstudio der Fall ist, dann gelten § 537 BGB und § 543 BGB. Das bedeutet: jede persönliche Verhinderung wie Krankheit, Unfall, Umzug ist kein Kündigungsgrund. Die Kündigungsgründe sind auf die Fälle des § 543 BGB beschränkt. Neben § 537 BGB und § 543 BGB ist § 314 BGB nicht zusätzlich anwendbar, weil die Sonderregelungen vorgehen.
>>>> Ist der Fitnessvertrag ein Vertrag eigener Art (sui generis), dann ist ev. § 314 BGB anzuwenden. Die Voraussetzungen gleichen denen des § 626 BGB mit einer Ausnahme: Die Kündigungsfrist des § 314 III BGB ist länger als die des § 626 II BGB. Sie kann je nach Fallgestaltung zwischen 1 und 2 Monaten liegen (Palandt/Grüneberg, § 314 BGB, Rn. 10).
(Wird fortgesetzt)
2) Was man über das Kostenrecht wissen muss
A. Die Gebühren
Wir unterscheiden:
I. Gerichtsgebühren
II. Außergerichtliche Gebühren
Zu I: KV 1210 und 1211 sollte man sich merken.
I.1 Nach KV 1210 (KV = Kostenverzeichnis in der Anlage zum GKG) fallen grundsätzlich 3 Gerichtsgebühren an. Der Kläger muss sie zu Beginn des Verfahrens als Prozesskostenvorschuss (PKV) bezahlen. Nach § 12 I 1 GKG wird die Klage erst nach Einzahlung des PKV zugestellt. Schon an dieser Stelle sollte man sich merken, dass für die Widerklage kein PKV einzuzahlen ist (§ 12 II Nr.1 GKG). Die einzelne Gebühr errechnet sich gemäß §§ 3 I, 34 GKG nach der Höhe des Streitwerts. Maßgeblich ist grundsätzlich nach § 48 I 1 GKG der Zuständigkeitsstreitwert, soweit nicht die §§ 48 ff. GKG besondere Regelungen enthalten. Der Zuständigkeitsstreitwert richtet sich nach §§ 3-9 ZPO.
Wichtige Streitwertregeln sind:
- Maßgeblich für die Festsetzung des Streitwerts ist der Zeitpunkt der Klageerhebung, bei der Verurteilung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 4 I GKG)
- Das Gericht setzt den Streitwert nach pflichtgemäßem Ermessen fest (§ 3 ZPO).
- Streitwertangaben des Klägers (§ 253 III ZPO) sind zu berücksichtigen.
- Entscheidend ist das wahre Interesse des Klägers, das sich in dem objektiven Verkehrswert ausdrückt (BGH MDR 01, 292), nicht sein Liebhaberinteresse und auch nicht das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger der Sache beimisst.
- Nebenforderungen wie Zinsen und Kosten (z.B. außergerichtliche Anwaltskosten, Inkassokosten, Mahnkosten) bleiben bei der Ermittlung des Streitwerts unberücksichtigt (§ 4 I ZPO).
- Mehrere in einer Klage geltend gemachten Ansprüche werden zusammengerechnet; aber nicht Klage und Widerklage (§ 5 ZPO).
- Sondervorschriften für Besitz und Pfandrecht (§ 6 ZPO), Grunddienstbarkeiten (§ 7 ZPO), Pacht- und Mietverhältnisse (§ 8 ZPO) und wiederkehrende Schuldverhältnisse) sind zu beachten.
I.2 Je nach Ausgang des Verfahrens können Gebühren auch wegfallen. Der Kläger erspart sich 2 Gebühren und muss nach KV 1211 nur 1 Gebühr bezahlen, wenn
- er die Klage zurücknimmt, bevor eine Entscheidung ergeht (Grundsatz)
- Anerkenntnisurteil oder Verzichtsurteil oder ein Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe nach § 313a II ZPO ergeht
- ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wird
- der Rechtsstreit nach § 91 a ZPO für erledigt erklärt wird und kein Kostenbeschluss ergeht oder der Kostenbeschluss nur der Mitteilung der Parteien über eine Kostenvereinbarung oder einer Kostenübernahmeerklärung folgt.
Merksatz: Immer wenn das Gericht „arbeiten“ muss, gibt’s kein Geld zurück.
I.3 Für das Berufungsverfahren sieht KV 1220 4 Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen vor. Wie bei KV 1211 können die Gebühren auf 1, 2 oder 3 Gebühren ermäßigt werden (K 1221 bis 1223).
Zu II:
Zu merken sind Nr. 3104 VV und Nr. 3104 VV sowie Nr. 2400 VV.
II.1 Im ersten Rechtszug können 2 Gebühren anfallen:
- Verfahrensgebühr von 1,3 (Nr. 3100 VV). Sie fällt einmal an.
- Terminsgebühr von 1,2 (Nr. 3104 VV). Sie fällt für die Vertretung im Termin bzw. für die Mitwirkung an einer Verfahrenserledigung ohne Beteiligung des Gerichts an. Die Terminsgebühr entsteht für die Vertretung in einem gerichtlichen Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin, aber auch dann, wenn nicht der Richter, sondern eine andere „Gerichtsperson“ (z.B. gerichtlich bestellter Sachverständiger) den Termin anberaumt hat und der Anwalt ihn wahrnimmt.
II.2 Im gerichtlichen Verfahren entfällt gegenüber der alten BRAGO die Beweisgebühr. Die Teilnahme an eine Beweistermin bringt dem Anwalt also im Gegensatz zum alten Recht jetzt keine Gebühren mehr ein.
II.3 Zu einem Monstrum scheint sich die Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV) zu entwickeln.
Hier gibt es drei Fragen:
a) In welcher Höhe ist sie anzusetzen?
b) In welcher Höhe ist sie anzurechnen?
c) Muss sie gesondert eingeklagt werden?
Zu a):
Der Mittelwert des Gebührenrahmens der Nr. 2400 VV-RVG (0,5 - 2,5) beträgt 1,5.
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1971 S.206 f. zu Nr. 2400 VV RGV) soll die Schwellengebühr von 1,3 die Regelgebühr sein.
Mehr als 1,3 kann nur verlangt werden, wenn entweder der Umfang oder die Schwierigkeit des Falls überdurchschnittlich sind.
Man kann schon gar nicht mehr die Urteile zitieren, in denen zu dem Streit Stellung bezogen wird, ob z.B. in Verkehrssachen regelmäßig angemessen ist eine Gebühr von 1,0 (z.B. LG Mannheim, NJW-RR 06, Heft 2...) oder von 1,3 (LG Bochum, NJOZ 05, 3716). Das hängt davon ab, ob ein Fall als durchschnittlich oder als unterdurchschnittlich zu bewerten ist. Hierüber muss immer der Einzelfall entscheiden (vgl. NJW-Spezial, 06, 20).
Zu b):
Hat der Anspruchsinhaber einen Rechtsanwalt zur Verfolgung seines Anspruchs eingeschaltet, so kann ihm ein materieller Kostenerstattungsanspruch auf Erstattung der durch die Einschaltung entstandenen Kosten, z.B. gemäß §§ 280 II, 286 I BGB, zustehen. Zu diesen Kosten gehört im Klagefalle die nicht anzurechnende hälftige Geschäftsgebühr gemäß § 2 II RVG mit VV 2400. Was das ist, zeigt das Beispiel:
Streitwert 250,-- € (1 Gebühr = 25,-- €=
1,3 Geschäftsgebühr gemäß VV2400 32,50 €
abzgl. 0,65 Geschäftsgebühr 16,25 €
zzgl. Auslagenpauschale gemäß VV 7002 6,50 €
zzgl. 16 % MWSt. 3,64 €
insgesamt 26,39 €
Zu c):
Gerichts- und Anwaltsgebühren kann die obsiegende Partei gemäß §§ 91 ff., 104 ZPO gegen die unterliegende Partei festsetzen lassen. Aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss kann sie vollstrecken. Stellt sich die Frage, ob das auch bei der nicht anrechenbaren hälftigen Geschäftsgebühr (siehe a)) so ist.
Die Kostenfestsetzung wird aber nach h.M. (OLG Frankfurt GRUR 05, 360) trotz des erheblich gestiegenen Interesse an einer vereinfachten Titulierungsmöglichkeit zu verneinen sein. Denn die entsteht Geschäftsgebühr im Regelfall für eine Tätigkeit, die den Prozess vermeiden soll, weshalb die erforderliche Prozessbezogenheit fehlt.
Folge:Der Anspruch auf die anteilige Geschäftsgebühr ist in den Referendarklausuren (Richterklausur) bei den Nebenkosten (neben den Zinsansprüchen und Mahn-, Inkassokosten pp.) abzuhandeln, wobei zu prüfen ist, ob ein Anspruch darauf, z.B. aus §§ 280 II, 286 I BGB, besteht.
II.4
Vergleichsgebühr (wird noch ausgeführt)
II.5
Für die Tätigkeit im Berufungsverfahren gibt es die aus dem 1. Rechtszug bekannten Gebühren mit einem höheren Satz:
- Verfahrensgebühr von 1,6 (Nr. 3200 VV).
- Terminsgebühr von 1,2 (Nr. 3202 VV). erhält der Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr von 1,6 (Nr. 3200 VV) und für die Teilnahme an einem Termin die Terminsgebühr von 1,2 (Nr. 3202).
BGHvom 20. 09.2004 - II ZR 318/02, BGH NJW-RR 05, 280 (besprochen unter Rechtsprechung für Studenten) setzt Kenntnisse von der petitorischen Widerklage voraus. Hier ein allgemeines Aufbauschema:
A. Zulässigkeit von Klage und Widerklage
I. Allgemeine Prozessvoraussetzungen (z.B. sachliche und örtliche Zuständigkeit, Prozesssführungebefugnis usw.) - Nur prüfen, wenn Anlass dazu besteht.
II. Besondere Prozessvoraussetzungen der Widerklage 1. Kein Verbot der Widerklage gemäß §§ 863 BGB, 33 ZPO. Hierzu 2 Meinungen: a) BGHZ 53, 169 f. = NJW 1970, 707; BGH LM § 854 Nr. 8 = DB 1973, 914; BGHZ 73, 357 = NJW 1979, 1358: BGH LM § 864 Nr. 2 = NJW 1979, 1360; : Die Klage auf Besitzschutz und die Widerklage aus dem Recht des Eigentümers können miteinander verbunden werden. Wirksamer Besitzschutz ist auch dann noch zulässig, wenn die Widerklage des Besitzstörers zugelassen wird. Der Richter muss nur bei Entscheidungsreife sofort durch Teilurteil über die Besitzschutzklage verhandeln. b) Staudinger/Bund, § 863 BGB, Rn. 8: Die Widerklage des Besitzstörers ist ausgeschlossen, weil andernfalls die verbotene Eigenmacht sanktionslos bleiben könnte. Aber aus §§ 864, 861 II, 862 II BGB ergibt sich, dass dem Kläger ein unbedingter Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Besitzzustandes nicht garantiert wird. 2. Rechtshängigkeit der Klage im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage 3. Konnexität zwischen Klage und Widerklage (nach BGHZ 40, 185; BGH NJW 1975, 1228) - Selten zu prüfen, vgl. den Klausurtipp "Konnexität bei der Widerklage"). 4. Parteienidentität zwischen dem Kläger und Widerkläger und dem Beklagten und Widerbeklagten
III. Besondere Prozesssvoraussetzungen der Feststellungs(wider-)klage 1. § 256 I ZPO; Feststellung eines Rechtsverhältnisses. - Auch absolute Rechte wie das Eigentum können festgestellt werden. Aus der Feststellung muss sich aber zugleich ergeben, dass der Störer einen Anspruch gerade auf die Herstellung der bestehenden Besitzlage hat; die Feststellung eines Rechts allein genügt nicht (Joost in MK-BGB, 4. Aufl. 2004, § 864 BGB, Rn. 8). 2. § 256 II ZPO; Feststellungsinteresse. - Hierzu 2 Meinungen a) Joost MK-BGB, § 864 BGB, Rn. 8; Palandt/Bassenge, Rn. 5; Soergel/Mühl, Rn. 7; H. P. Westermann/Gursky § 24 II 6: ein Feststellungsurteil über den Anspruch des Störers reicht aus, sofern das Feststellungsurteil einen Anspruch iSv. § 864 II BGB feststellt. b) Hager KTS 1989, 518; Staudinger/Bund, § 864 BGB, Rn. 8: ein Feststellungsurteil reicht nicht aus, da gegen ein bloßes Feststellungsurteil kein Vollstreckungsschutz nach § 767 ZPO möglich ist und der Schutz des Besitzers so unterlaufen würde.
B. Begründetheit von Klage und Widerklage
I. Begründetheit der Widerklage
1. Beklagter (= Besitzstörer) Eigentümer? (Eigenümerfolge ggf. chronologisch prüfen) 2. Hat der Beklagte einen Anspruch auf Herstellung gerade der bestehenden Besitzlage gehabt?
II. Begründetheit der Klage
1. Anspruch aus § 861 BGB? - Verbotene Eigenmacht des Beklagten prüfen. 2. Anspruch erloschen analog § 864 II BGB? - 2 Meinungen a) Nach BGHZ 73, 359 = NJW 1979, 1358: § 864 II BGB ist analog anwendbar, wenn das Urteil über die Klage und das Urteil über die Widerklage gleichzeitig rechtskräftig werden. Bei gleichzeitiger Entscheidungsreife von Klage und Widerklage darf es keine widersprüchlichen Entscheidungen geben; die Besitzschutzklage muss abgewiesen werden. b) Jauernig, BGB, 11.Aufl. 2004, § 863 BGB, Rn. 7; Joost in MK-BGB, § 863 BGB, Rn.10 f.): Im Regelfall ist beiden Klagen stattzugeben. Hierin liegt nur vordergründig eine Widersprüchlichkeit des Urteils. Ein solches Urteil entspricht der materiellen Rechtslage, die eben dadurch gekennzeichnet ist, dass der Kläger einen Besitzschutzanspruch hat und der Beklagte ein Recht auf den Besitz
4) Konnexität bei der Widerklage: oft ein Scheinproblem
In den Klaussuren des Assessorexamens kommt es selten auf die breite Darstellung eines Meinungsstreits an.
Fallbeispiel: A aus Hamburg klagt gegen B aus Frankfurt/M. auf Zahlung des Kaufpreises für ein über ebay verkauftes Motorrad. Er klagt vor dem AG Frankfurt/M. B hält sich öfter in Frankfurt/M. auf. Wie es der Zufall will, war er dem A in einer Frankfurter Gaststätte begegnet. Dort war es zu einem Streit gekommen, bei dem A den B fürchterlich zusammengeschlagen hatte. A erhebt Widerklage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Der Referendar prüft die Zulässigkeit der Widerklage und kramt seine Kenntnisse zur Konnexitätsproblematik heraus. Er stellt fest, dass gemäß § 33 ZPO Widerklage bei dem Gericht der Klage erhoben werden kann, "wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgbrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht", also Konnexität gegeben ist. Er weiß, dass es hierzu einen Meinungsstreit gibt:
>>>> Nach der Meinung des BGH (BGHZ 40, 185; BGH NJW 1975, 1228) ergibt sich aus § 33 ZPO die besondere Prozessvoraussetzung der Konnexität, die für jede Widerklage vorliegen muss.
>>>> Nach einer verbreiteten Literaturmeinung (Zöller/Vollkomer, § 33 ZPO, Rn.2) begründet § 33 ZPO lediglich einen besonderen Gerichtsstand, so dass Konnexität zwischen Klage und Widerklage nur dann gegeben sein muss, wenn das von dem Kläger und Widerbeklagten angerufene Gericht sonst nicht örtlich zuständig wäre.
Jetzt überlegt der Referendar weiter: Nach der Meinung des BGH ist die Konnexität Prozessvoraussetzung. Da es zwischen der Kaufpreisklage und der Schmerzensgeldklage keinen Zusammenhang gibt, ist die Widerklage auf Zahlung des Schmerzensgeldes unzulässig. Nach der Literaturmeinung ist die Konnexität dagegen nur erforderlich, wenn sich die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt nur aus dem Gerichtsstand der Widerklage gemäß § 33 ZPO herleiten lässt und nicht ohnehin ein anderer Gerichtsstand gegeben ist. Hier ist Frankfurt/M. auf jeden Fall örtlich zuständig, weil in seinem Gerichtsbezirk die unerlaubte Handlung stattgefunden hat (§ 32 ZPO). Also kommt es auf die Konnexität nach § 33 ZPO schon gar nicht mehr an, so dass die Widerklage nach der Literturmeinung zulässig ist.
Muss sich der Referendar jetzt also mit dem Meinungsstreit zur Konnexität nach § 33 ZPO auseinandersetzen?
Für die Urteilsklausur gilt: Er muss es meistens nicht. Der Grund liegt darin, dass die Parteien in aller Regel nach dem Aufgabentext schon mündlich verhandelt haben. Wenn der Kläger dann nicht das Fehlen der besonderen Prozessvoraussetzung der Konnexität gerügt hat, ist dieser Verfahrensmangel gemäß § 295 I ZPO geheilt. Auch nach der Meinung des BGH muss der Referendar also von der Zulässigkeit der Widerklage ausgehen.
Er wird in den Entscheidungsgründen seines Urteilsentwurfs deshalb wie folgt formulieren:
"Die Widerklage ist zulässig. Ob hier ein Verfahrensmagel vorliegt, weil der von BGHZ 40,185 für erforderliche Zusammenhang zwischen Klage und Widerklage fehlt (§ 33 ZPO), muss nicht entschieden werden. Denn ein solcher Verfahrensmangel ist für die Frage der Zulässigkeit der Widerklage nicht mehr von Bedeutung, nachdem der Kläger ihn im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat, so dass er nach § 295 I ZPO geheilt ist."
Wie aber, wenn die Konnexität sowohl nach der Meinung des BGH als auch nach der Literaturmeinung erforderlich ist?
Fallbeispiel: Wie im Ausgangsfall. Die unerlaubte Handlung hat aber in Hamburg und nicht in Frankfurt stattgefunden. Konnexität ist nach der Rechtssprechung des BGH als besondere Prozessvoraussetzung immer erforderlich. Nach der Fallabwandlung benötigt aber auch die Literaturmeinung den Zusammenhang zwischen Klage und Widerklage, weil Frankfurt jetzt nicht mehr der Ort der unerlaubten Handlung ist und damit nur noch der Gerichtsstand nach § 33 ZPO bleibt.
Aber: Falls mündliche Verhandlung stattgefunden hat und der Kläger das Fehlen der Konnexität nicht gerügt hat - das ist der Regelfall -, so ist der Verfahrensmangel, der in dem Fehlen der besonderen Prozessvoraussetzung der Konnexität nach der BGH-Rechtsprechung zu sehen ist, gemäß § 295 I ZPO geheilt. Örtliche Zuständigkeit ist zwar nicht gegeben. Aber der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung rügelos auf dei Widerklage eingelassen, so dass die örtliche Zuständigkeit infolge rügeloser Verhandlung nach § 39 I ZPO begründet worden ist.
Merke: Die rügelose Verhandlung beseitigt das Konnexitätsproblem sowohl für die besondere Voraussetzung des Zusammenhangs als auch für die Frage der örtlichenZuständigkeit.
Zu beachten ist, dass sich der Referendar in der Anwaltsklausur aber als Berater auf der Klägerseite mit der Frage beschäftigen muss, ob er sich überhaupt rügelos auf den Rechtsstreit einlassen sollte.
5) Die unvollständige Prüfung eines Schadensersatzanspruchs
In den Zivilrechtsklausuren des 2. Staatsexamens kommt als "running gag" immer wieder folgende Situation vor:
Fallbeispiel: Der Beklagte betreibt einen Sanitärbetrieb und installiert für den Kläger in der von ihm gemieteten Wohnung einen großen Badezimmerspiegel. Er bohrt ein Dübelloch und beschädigt dabei versehentlich eine Elektroleitung. Der Vermieter nimmt den Kläger auf die Reparaturkosten in Höhe von 600,-- € in Anspruch. Der Kläger verklagt den Beklagten seinerseits auf Schadensersatz in gleicher Höhe.
Hier prüft der Referendar regelmäßig und richtig § 280 I BGB und kommt zu dem Ergebnis, dass der Beklagte Schutzpflichten verletzt hat und grundsätzlich aus dem Gesichtspunkt der ehemaligen positiven Vertragsverletzung haftet. Dann stellt er ferner fest, dass der Kläger die Reparaturrechnung des Vermieters selbst noch nicht ausgeglichen hat, weshalb er einen Anspruch auf Ausgleichung der Reparaturkosten gegen den Beklagten (noch) nicht hat. Der Referendar weist also die Klage ab.
Was ist daran falsch?
Der Referendar hat nicht zuende gedacht. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch gegen den Installateur auf Ersatz der Reparaturkosten, wohl aber einen Anspruch auf Freistellung (Befreiung) von den Ansprüchen des Vermieters auf Zahlung der Reparaturkosten. Nun weiß der Referendar, dass er sich gemäß § 308 I ZPO an das Klagebegehren halten muss. Vielleicht kennt er auch den lateinischen Rechtsspruch: "Ne eat iudex ultra petita partium." (Der Richter gehe nicht über die gestellten Anträge hinaus!) Bedeutet das aber, dass der Richter den Beklagten nicht zur Freistellung von den Reparaturkosten verurteilen kann, wenn der Kläger auf Zahlung der Reparaturkosten klagt? Ein solches Urteil ist tatsächlich nur dann zulässig, wenn der Richter mit seinem Freistellungsurteil nicht über das auf Zahlung gerichtete Klagebegehren hinausgeht. Damit stellt sich die Frage:
Ist die Freistellungsklage ein minus gegenüber der Klage auf Zahlung (der Reparaturkosten) oder ein aliud?
Bei Bearbeitung der Klausur hätte der Referendar spätestens an dieser Stelle die ihm zur Verfügung stehende Kommentierung zu § 308 I ZPO durchprüfen müssen.
In der Rechtsprechung wird bejaht, dass die Freistellungsklage gegenüber der Zahlungsklage ein minus ist, OLG Frankfurt, FamRZ 1990, 49 f. = NJW-RR 1990, 711 f. Weitschweifige Ausführungen zur Frage des minus finden sich nicht. Maßgeblich ist, dass die Freistellungsklage qualitativ nicht von der Zahlungsklage abweicht. Beide Klagen sind auf Schadensersatz gerichtet, die Freistellungsklage geht nur nicht so weit wie die auf Zahlung gerichtete Schadensersatzklage. Würde allerdings der Installateur die Erfüllung des Freistellungsanspruchs ernsthaft und endgültig verweigern, so stünde dem Kläger gemäß § 250 S.1 BGB ohne weitere Fristsetzung ein Schadensersatzanspruch in Geld zu. Daneben lässt sich auch noch aus einer weiteren Überlegung schließen, dass der Freistellungsanspruch gegenüber dem Zahlungsanspruch nicht qualitativ verschieden ist: Wenn der Kläger seinen Freistellungsanspruch nämlich gegen den Beklagten an den Vermieter abtreten würde, so hätte der Vermieter gegen den Beklagten einen Anspruch, der auf Zahlung gerichtet wäre.
Ergebnis: Der Referendar muss in Fällen wie dem vorliegenden den Freistellungsanspruch zusprechen und die weiter gehende Klage (minus!) abweisen.
Hauptsachetenor: Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von dem Anspruch des Vermieters X auf Schadensersatz gemäß Rechnung der Firma Elektrowitt in Bochum vom ... in Höhe von 600,-- freizustellen.